Eine der häufigsten Fragen, die beim Thema Training in der Schwangerschaft gestellt werden, ist die nach der Trainingsintensität: Wie anstrengend bzw. intensiv dürfen Schwangere trainieren? Schließlich möchte keine werdende Mutter die Gesundheit ihres Babys durch zu anspruchsvolle Trainingseinheiten aufs Spiel setzen.
Dass Sport in der Schwangerschaft gut für Mutter und Kind sind, hat vermutlich jede sportinteressierte Schwangere schon gehört. Empfohlen werden oftmals die klassischen Schwangerschaftsaktivitäten wie z.B. Yoga, Schwimmen oder Gymnastik. Aber auch ein angepasstes Krafttraining gilt mittlerweile als eine geeignete Sportart für Schwangere.
Unabhängig davon, um welche Bewegungsform es sich handelt, liest man immer wieder, dass eine moderate Trainingsbelastung im aeroben Bereich empfohlen wird. Doch was heißt das überhaupt?
Wann ist ein Training moderat?
Moderat bedeutet so viel wie gemäßigt. Ob ein Training gemäßigt ist, hängt immer vom individuellen Leistungsniveau ab. Ein Workout, das für Dich moderat anstrengend ist, kann für eine andere Frau schon intensiv sein. Das heißt, moderat ist immer bezogen auf Deinen eigenen Trainingszustand und Deine eigene Leistungsfähigkeit.
Moderat zu trainieren bedeutet, dass Du Dich beim Training zwar anstrengend darfst, Du Dich aber nicht völlig verausgabst. Es ist also in Ordnung, wenn Deine Atmung schneller wird und Du leicht schwitzt. Du solltest allerdings nicht völlig außer Puste geraten und an Deine Belastungsgrenze gehen.
Was bedeutet aerobes Training?
Aerob (von altgr. „aer“ = Luft) bedeutet „sauerstoffabhängig“ oder „Sauerstoff verbrauchend“. Das Gegenteil hiervon ist anaerob, also „ohne Sauerstoff“. In beiden Fällen geht es um die Energiebereitstellung bei körperlicher Belastung. Der Unterschied liegt im Sauerstoffverbrauch. Das heißt, bei aerober Trainingsbelastung nutzt Dein Körper Sauerstoff, um Energie bereitzustellen. Aerobe Energiegewinnung findet bei niedrigen Trainingsbelastungen statt. Das ist in der Regel bei den typische Ausdauersportarten der Fall wie zum Beispiel Joggen, Schwimmen, Fahrrad fahren, aber auch Kraftausdauertraining. Also immer dann, wenn Du über einen längeren Zeitraum noch genügend Puste hast.
Im anaeroben Bereich trainierst Du bei sehr intensiven, schnellen Trainingseinheiten mit hoher Intensität. Bei solchen Belastungen reicht der zur Verfügung stehende Sauerstoff zur Energiegewinnung nicht aus. Deshalb schaltet der Körper auf einen anderen Energiegewinnungsprozess um und stellt aus Kohlenhydraten im Rahmen der Milchsäuregärung Energie her. Allzu lange funktioniert diese Art der Energiegewinnung allerdings nicht, denn als Abfallprodukt entsteht Laktat, welches ab einer gewissen Menge eine Übersäuerung der Muskulatur bewirkt. Eine Übersäuerung äußert sich in einem Muskelbrennen und in einer Ermüdung der Muskeln. Die Trainingsintensität muss nun stark reduziert oder die körperliche Belastung komplett beendet werden.
Einfach zusammengefasst: Aerobes Training ist in etwa gleichzusetzen mit den Ausdauersportarten. Dabei hast Du die ganze Zeit über genug Sauerstoff und kannst auch über einen längeren Zeitraum die Belastung aufrechterhalten. Typische anaerobe Sportarten sind Sprinten, HIIT, oder Kampfsportarten. Grundsätzlich kann jede Sportart im anaeroben Bereich ausgeführt werden, wenn die Intensität entsprechend hoch ist. Eine Intensitätssteigerung erfolgt z.B. durch Erhöhung der Schnelligkeit oder Steigerung des Widerstandes.
Die Begriffe haben wir nun geklärt. Schön und gut. Doch was bedeutet das jetzt konkret für Dein Training? Woher weißt du, dass Du im moderaten aeroben Bereich trainierst? Im Folgenden gebe ich Dir drei praktische Tipps, wie du die Belastungsintensität Deines Workouts einschätzen kannst.
Wie misst Du die Trainingsbelastung?
Der Talk Test
Eine alltagstaugliche Methode, mit der du Überanstrengung vermeiden kannst, ist der Talk-Test. Demnach ist Deine Belastung dann als moderat einzustufen, wenn Du während des gesamten Trainings dazu in der Lage sein, Dich mit einer anderen Person normal zu unterhalten. Du darfst beim Sprechen schon ein bisschen schnaufen, aber solltest nicht so kurzatmig werden, dass Du Dich nur sehr angestrengt unterhalten kannst. Ist die Atmung so erschwert, dass die normale Unterhaltung schwierig oder unmöglich wird, schalte lieber einen Gang zurück und reduziere die Trainingsintensität wieder.
Pulsobergrenze einhalten
Eine zweite Möglichkeit, wie du die Belastungsintensität beim Training bestimmen kannst, ist die Pulsmessung. In welchem Pulsbereich Du Dich in der Schwangerschaft optimalerweise bewegen solltest, hängt von verschiedenen Faktoren wie z.B. Alter oder Trainingszustand ab. In den verschiedenen Guidelines werden in der Regel Höchstwerte angegeben, die eine Schwangere nicht über einen längeren Zeitraum überschreiten sollte.
Die Pulsobergrenze liegt meistens bei 140 bis 145 bpm (beats per minute = Schläge pro Minute). Die Mitarbeiter des Forschungsbereichs „Sport in der Schwangerschaft“ der Deutschen Sporthochschule Köln, halten sogar einen Pulswert von bis zu 155 bpm für unbedenklich. Beim Radfahren sollte der Puls nochmal 10 bpm und beim Schwimmen sogar 20 bpm niedriger sein (Webseite der Deutschen Sporthochschule Köln, Serviceportal „Sport und Schwangerschaft“).
Mit solchen Zahlenwerten ist es allerdings so eine Sache. Ja, so eine vorgegebene Obergrenze erweckt natürlich erst einmal den Eindruck von Sicherheit. Schließlich hat man einen Richtwert, an dem man sich orientieren kann. Das Problem dabei ist, dass Pulswerte individuell sehr verschieden sein können. Gleichzeitig ist der Ruhepuls in der Schwangerschaft generell erhöht. Schließlich steigt die Blutmenge im Körper, damit Mutter und Fötus ausreichend versorgt werden. Deshalb muss das Herz Mehrarbeit leisten: Es schlägt stärker und auch schneller. Der erhöhte Puls ist also in der Regel nichts anderes als ein physiologischer Anpassungsmechanismus an die Schwangerschaft. So liegt der Ruhepuls bei manchen Schwangeren schon bei 100 bpm oder gar 110 bpm. Die standardmäßig empfohlenen 140 bpm sind dann schon bei leichter Anstrengung erreicht.
Den Puls richtig messen
Die vorgeschlagene Obergrenze von bis zu 155 bpm ist also nur ein Orientierungswert, den Du mit Deinem subjektiven Belastungsempfinden abgleichen solltest. Hierzu später mehr! Erst einmal klären wir die Frage, wie Du Deinen Puls beim Training feststellen kannst. Du kannst Deinen Puls entweder manuell prüfen, z.B. durch Fingerauflegen am Hals oder Handgelenk. Zum Pulsmessen am Handgelenk legt man zwei oder drei Finger auf die Innenseite des Handgelenks unterhalb des Daumens und zählt nun 30 Sekunden lang die Schläge. Anschließend multiplizierst Du den Wert mal zwei und hast somit Deinen Puls bestimmt. Das kannst Du während einer Trainingseinheit hin und wieder mal machen. Am Ende des Workouts weißt Du dann in etwa, in welchem Pulsbereich Du trainiert hast.
Einfacher geht das Ganze natürlich mit einer Pulsuhr. Hier gibt es viele verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Zusatzfunktionen. Das Schöne ist, dass viele Modelle neben den Standardfunktionen (Pulsmessung, Stoppuhr, Kalorienverbrauch) auch die Möglichkeit bieten, ein Pulslimit festzulegen, das beim Training nicht überschritten werden soll. So kannst Du zum Beispiel einen Unter- und einen Oberwert festlegen, in dem sich Dein Puls bewegen soll. Sobald Du Dich außerhalb dieses Bereiches bewegst, wirst Du von der Pulsuhr über ein Signal benachrichtigt und kannst die Intensität entsprechend anpassen. So hast Du während des gesamten Trainings Kontrolle über Deinen Puls und kannst Dein Workout dementsprechend ausrichten.
Beurteilung der Trainingsbelastung anhand der Borg Skala
Viele Guidelines für Training in der Schwangerschaft empfehlen, sich bei der Intensitätsbeurteilung weniger am Puls zu orientieren. Stattdessen wird die subjektive Einschätzung der Schwangeren als aussagekräftiger angesehen. Eine Alternative zu der Trainingssteuerung anhand einer Pulsobergrenze ist die Einschätzung des subjektiven Belastungsempfindens anhand der Borg Skala. Grundlage dieser Methode ist das subjektive Empfinden der Schwangeren während einer Trainingsbelastung.
Wenn Du schon jahrelang Sport machst und Deinen Körper sehr gut kennst, dann wird es Dir vermutlich leichtfallen, einzuschätzen, ob ein Trainingsreiz für Dich leicht, mittel oder sehr anstrengend ist. Als Beginnerin fehlen Dir oftmals solche Erfahrungswerte, weshalb Du eine kleine Orientierungshilfe gebrauchen könntest.
Hier kommt die Borg Skala ins Spiel. Mit der Borg-Skala kannst Du Dein Anstrengungsempfinden während der Trainingsbelastung bestimmen. Die empfundene Anstrengung während einer Belastung wird dabei subjektiv beschrieben und als Instrument der Trainingssteuerung benutzt. Die Skala reicht von 6 bis 20, wobei die Stufe 6 für eine sehr sehr leichte Belastung und Stufe 20 für eine maximal anstrengende Belastung steht.
Vielleicht fragst Du dich, warum die Skala erst bei 6 beginnt (wobei es auch abgewandelte Borg Skalen von 1 bis 10 gibt). Die ursprüngliche Einteilung basiert auf der Annahme, dass das Belastungsempfinden mit der Herzfrequenz zusammenhängt. Einfach gesagt: Die einzelnen Stufen mal 10 multipliziert ergeben den Pulswert, der diesem Anstrengungsbereich zugeordnet wird. Stufe 6 entspricht also einem Puls von 60 und 20 einem Puls von 200.
Welcher Skalenwert ist für Schwangere ideal?
Was bedeutet das nun für Dein Training in der Schwangerschaft? Auf welcher Stufe solltest Du Deine empfundene Trainingsbelastung einordnen? Weiter oben haben wir ja bereits über eine Pulsobergrenze für das Training in der Schwangerschaft gesprochen. Die lag bei etwa 145 bis 155 bpm. Dies entspricht der Stufe 14 bzw. 15 auf der Borg Skala. Die ACOG (American College of Obstetricians and Gynecologists) sieht Training im Bereich 13 bis 14 als sicher für Mutter und Baby an, also eine Belastung von leicht anstrengend bis anstrengend (Guideline der ACOG). Vermeiden solltest Du den Bereich ab Stufe 16, denn ab hier wird ein Training als intensiv eingestuft.
Auch wenn diese Methode zunächst sehr subjektiv erscheinen mag, glaube ich, dass wir ein gutes Gespür dafür haben, wann eine Belastung zu anstrengend für uns ist. Gerade in der Zeit der Schwangerschaft dürfen wir uns darin üben, beim Training immer wieder bewusst ins uns hineinzuspüren und die Signale unseres Körpers wahrzunehmen. Im Zweifelsfall belastest Du Dich lieber ein bisschen weniger. Von den Trainingsreizen wirst Du trotzdem profitieren. So musst Du Dir weniger Sorgen um die Gesundheit Deines Babys machen und kannst Dich beim Workout mehr auf Dich konzentrieren.
Unabhängig von Deinem subjektiven Belastungsempfinden gibt es natürlich Warnsignale, die Du unbedingt ernst nehmen solltest und bei der die Aktivität sofort abgebrochen werden muss. Hierzu gehören vaginale Blutungen, Wehentätigkeit, Verlust von Fruchtwasser, Atemnot, Schwindel, Kopfschmerzen, Brustschmerzen, muskuläre Dysbalancen und Schwellungen. Sollten solche oder ähnlich schwerwiegende Symptome auftreten, muss eine Abklärung beim Frauenarzt erfolgen.
Fazit
Ganz unabhängig davon, welche Pulsbereiche bzw. Intensitätsstufen als optimal gelten: In der Schwangerschaft gibt es gute und weniger gute Tage. An manchen Tagen rockst Du Dein Training, weil Du Dich fit und energiegeladen fühlst. Dann musst Du vielleicht wirklich aufpassen, dass Du nicht übers Ziel hinausschießt und Deine Intensität ggf. drosseln.
An anderen Tagen fühlst Du Dich müde und erschöpft und bist froh, dass Du es überhaupt aus dem Bett geschafft hast. An solchen Tagen ist höchstens ein ganz sanftes Training sinnvoll. Völlig unnötig ist es dann, Dich beim Training in einen bestimmten Anstrengungsbereich zu zwingen. Denn gerade dann, wenn wir uns besonders dünnhäutig und antriebslos fühlen, sollten wir auf die Signale unseres Körpers hören und die für ihn passende Form der Belastung wählen – oder einfach einen Spaziergang machen oder auf der Couch liegen.